
Moderator Michael Schlagheck lässt einen Teilnehmer zu Wort kommen.
Demokratie in Bottrop stärken, mehr Beteiligung ermöglichen und das Vertrauen in politische Prozesse fördern – mit diesen Zielen hat der Bottroper Stadtkatholikenrat gemeinsam mit der Kirchhellener Pfarrei St. Johannes der Täufer am Montag, 30. Juni, zu einem Stadtspaziergang mit Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt eingeladen. Ein Format, das offenbar gut ankam: Rund 140 Interessierte waren der Einladung gefolgt, um sich zu informieren, wer ihr Kandidat bei der Wahl am 14. September sein könnte.
Zu Gast waren Matthias Buschfeld (SPD), Frank Kien (CDU), Sven Hermens (Die Linke) und Nick Nowara (FDP, ÖDP, Bündnis 90/Die Grünen). Nach dem Start am Martinszentrum ging es mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten zum ehemaligen Tierfuttermarkt am Kulturzentrum, von dort zum Karstadtgebäude bis hin zum STÜCK.gut am Kirchplatz 2-3, dem zentralen Raum der Citypastoral der Propsteipfarrei St. Cyriakus. Als Moderator des Abends konnte Dr. Michael Schlagheck gewonnen werden, ehemaliger Direktor der Katholischen Akademie Die Wolfsburg und bekennender Bottroper.

Als Mitglied der einladenden Katholikenrats-Arbeitsgruppe „Kirche und Kommunalpolitik“ begrüßte zunächst Andreas Pläsken die Gäste am Martinszentrum. Er betonte, dass katholische Kirche in gesellschaftlichen Fragen und Bezügen wieder mehr Gesicht zeigen wolle. „Wir wollen unseren Teil dazu beitragen, den Bottroper Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu geben, vier Kandidaten für die künftige Führungsposition kennenzulernen.“ In diesem Sinne befragte Moderator Michael Schlagheck die Kandidaten zuerst nach ihrer Motivation für das OB-Amt.
Matthias Buschfeld, der unter anderem seit zehn Jahren Mitglied des Bottroper Stadtrats und seit 2023 Vorsitzender der SPD-Fraktion ist, möchte sich nicht mit den aktuellen Umständen wie einer durch viele Leerstände immer unattraktiver werdenden Innenstadt abfinden. Aus diesem Grund sei er einst in die SPD eingetreten, und mit dieser Logik verfolge er nun auch seine Bewerbung als Oberbürgermeister.
Frank Kien ist seit 20 Jahren in der Kommunalpolitik tätig. Er wolle das Vertrauen der Menschen in die Politik zurückgewinnen und wieder mehr Transparenz schaffen. Für Linken-Kandidat Sven Hermens – seit 2020 Mitglied im Rat der Stadt – sind in der Vergangenheit falsche Entscheidungen auf politischer Ebene getroffen worden. Dem Haushaltssicherungskonzept kann er nicht zustimmen und fordert, nicht weiter zu sparen, möchte sich stattdessen für notwendige Investitionen einsetzen.
In Bottrop neu ist der überparteiliche Kandidat Nick Nowara. Der Architekt ist Smart City Manager der Stadt Aachen und hat sich auf die Ausschreibung der Initiative „Bottrop bewegt“ für die Kandidatur beworben. Er schaue mit einem Blick auf die Stadt, den Bottroper nicht haben, sah Nowara seine Herkunft als Vorteil. Eine Strategie für ein lebenswertes Bottrop müsse seiner Meinung nach aus der Bevölkerung selbst kommen.Zu wenig sei auf die Stimme der Bürger gehört worden. Beruflich kenne er sich mit dem Thema Stadtplanung aus und sieht für sich auch in Bottrop die Möglichkeit, „etwas in seiner Umwelt zu bewegen“.

An der ersten Station, dem ehemaligen Tierfuttermarkt an der Böckenhoffstraße und dem dort nun entstehenden „Haus der Vereine“ stand das Thema Ehrenamt im Mittelpunkt. An dem Ort, der zu einem der vielen Leerstände der Innenstadt gehörte, waren sich alle Kandidaten über die wesentliche Bedeutung und die Förderung des Ehrenamts einig. Während Nick Nowara vom Ehrenamt als „wichtige soziale Säule“, Frank Kien als „Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält“ sprach, warnte Sven Hermens auch davor, dem Ehrenamt nicht zu viel aufzubürden. Diese Tendenz „müsse zurückgefahren werden“. Matthias Buschfeld betonte, dass die Stadt unter anderem mit einem Förderungsfonds viel für das Ehrenamt mache.
Ein Netzwerk müsse im gesamten Stadtgebiet aufgebaut werden, verbunden mit der Schaffung von Orten, an denen sich Menschen wohlfühlen und begegnen könnten. Alle Kandidaten sprachen zudem für die Einführung eines Ehrenamtskoordinators aus. Teilnehmerinnen des Rundgangs verwiesen auf die Ehrenamtskarte, mit der Engagierte Vergünstigungen erhalten. Angebote wie diese müssten bekannt gemacht und besser wahrgenommen werden.
An Station zwei, dem ehemaligen Karstadtgebäude, ging es um das brisante Thema der Innenstadtentwicklung. Schlagheck verwies auf das bereits seit 15 Jahren leerstehende Hansa Center, blickte aber auch auf die bald im Karstadtgebäude entstehende „Phoenix-Galerie“. Der in Bottrop verwurzelte Projektentwickler Oliver Helmke möchte dort mit einem bunten Mix aus Geschäften und Gastronomie sowie Raum für etwa 200 Mitarbeiter der Bottroper Stadtverwaltung wieder mehr Leben in die Innenstadt bringen. Als Nick Nowara sein Unverständnis über die lange Zeit der Leerstände äußerte, konterte Matthias Buschfeld, dass es mitnichten an Kreativität, sondern an finanziellen Möglichkeiten gefehlt habe. Es brauche nun weitere Maßnahmen, um die Innenstadt attraktiver zu gestalten.
Dazu gehörten Feste und Veranstaltungen, ein gut funktionierender Wochenmarkt, mehr Entsiegelung sowie ein Wasserlauf für Kühlung wie an heißen Tagen wie diesem, darüber hinaus zusätzlicher Wohnraum. Auch die soziale Struktur müsse sich ändern: In der Innenstadt „wohnten nur die Ärmsten“. Es müsse für mehr Durchmischung gesorgt werden.

Das findet auch Sven Hermens. Lange Zeit sei stattdessen nur auf den Handel gesetzt worden. Frank Kien betonte, dass in Sachen Verbesserung zu viel in privater Hand liege. Die Stadtverwaltung müsse sich mehr mit Eigentümern abstimmen, ansonsten auch mehr Kaufkraft nach Bottrop bekommen.
Michael Schlagheck sprach darüber hinaus Probleme mit Kriminalität an, auch die Unsicherheitsgefühle, die viele Menschen am ZOB, dem Busbahnhof am Berliner Platz oder am Hauptbahnhof empfinden würden. Hier bildete sich eine Front zwischen Frank Kien und den übrigen Kandidaten. Zwar leugnete niemand die Probleme, doch sah sie keiner von ihnen derart gravierend wie Kien, der vor dem Gang durch die Innenstadt bei Dunkelheit warnte. Es müsse allerdings für eine bessere Beleuchtung und eine zunehmende Belebung gesorgt werden, teilweise auch für eine Videoüberwachung wie am ZOB, wo vor allem junge Menschen auf dem Weg zur Schule geschützt werden müssten.
Sven Hermens gab an dieser Stelle zu bedenken, dass Videoüberwachung für ihn der falsche Ansatz sei. Stattdessen müsse mehr in Präventionsarbeit investiert werden. Vor dem Ausklang im STÜCK.gut am Kirchplatz standen noch die Themen Migration und Integration auf der Agenda – für Bottrop, in dessen Innenstadt mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben als ohne, wesentliche Themen. Auch wenn bereits viel in Sachen Integration stattfinde, so Matthias Buschfeld, brauche es gerade in KiTas und Schulen weitere Förderung.
Auch Sven Hermens baut auf zusätzliche Mittel, was allerdings auch ein Landesthema sei. Frank Kien sieht einerseits den Bedarf an Zuwanderung, andererseits eine gesteuerte Migration als den richtigen Weg. Wo die Stadt in Sachen Integration nicht weiterkomme, verwies er auf andere Player wie Vereine oder die Kirchen. Nick Nowara – einziger Kandidat mit Migrationshintergrund – sieht auch die Verantwortung in der Gesellschaft, auf andere Menschen zuzugehen. Integration sei für ihn nicht Assimilation. Alle vier Kandidaten hielten es grundsätzlich für dringend notwendig, auf mehr finanzielle Mittel zurückgreifen zu können.
Von rund 430 Kommunen in Nordrhein-Westfalen könnten nur 17 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen. Diese permanente Krisensituation sei also kein Bottroper Problem. Zunächst könnten nur Mittel genutzt werden, die zur Verfügung stünden.
Eine Frage galt es zum Ende des Spaziergangs noch einem Teilnehmer zu beantworten, und zwar warum der OB-Kandidat der AfD nicht beteiligt gewesen sei. Andreas Pläsken erklärte, dass die verantwortlichen Gremien im Katholikenrat lange kontrovers darüber diskutiert hätten. Letztendlich sei aber entschieden worden, den Kandidaten nicht einzuladen.
Denn die meisten Positionen der AfD stünden denen der katholischen Kirche diametral gegenüber. Es sei ihnen als Organisatoren freigestanden, diese Entscheidung zu treffen. Eine Positionierung, die angreifbar sei. „Aber wir stehen dazu“, schloss Pläsken.
(c) Text/Fotos: Propstei St. Cyriakus