
Bottrop startet Festwoche mit starkem Zeichen für Teilhabe und Menschlichkeit
Im Jahr 2025 wird in ganz Deutschland auf 50 Jahre Psychiatrie-Enquête zurückgeblickt. Anlässlich dieses Jubiläums und zum Welttag der seelischen Gesundheit lädt die Stadt Bottrop vom 6. bis 15. Oktober zu einer Festwoche ein. Der feierliche Auftakt fand heute (6. Oktober) mit Fachvorträgen, Erfahrungsberichten und einem Podiumsgespräch im Kammerkonzertsaal statt.

Bürgermeisterin Monika Budke würdigte in ihrer Eröffnungsrede die wegweisende Bedeutung der Psychiatrie-Enquête von 1975: „Sie stellte nicht nur Versorgungsstrukturen infrage, sondern forderte einen grundlegenden Wandel im Denken, hin zu einer menschenwürdigen, gemeindenahen und partizipativen psychiatrischen Versorgung. Heute, fünf Jahrzehnte später, würdigen wir nicht nur die Arbeit der Enquête-Kommission und die damit verbundenen Reformen, sondern auch das, was wir seither gemeinsam erreicht haben – hier in Bottrop und darüber hinaus.“
Frühe Verantwortung – lange vor der Enquête
Dr. Astrid Danneberg, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes, berichtete von den Anfängen kommunaler Gesundheitsfürsorge in Bottrop bis zur heutigen Netzwerkstruktur. „Diese Geschichte beginnt nicht erst 1975 – sondern 1916, in zwei kleinen Zimmern des alten Rathauses.“ Dort habe die Stadt erstmals Verantwortung für die öffentliche Gesundheitsfürsorge übernommen . Ohne großes Aufsehen, aber mit einem klaren Signal: Gesundheit ist keine Privatsache. Sie ist eine Aufgabe der Gemeinschaft. Von diesen bescheidenen Anfängen entwickelte sich die städtische Gesundheitsfürsorge stetig weiter. 1923 zog man in das Kellergeschoss des Rathauses, später an die Scharnhölzstraße, dann ins Marienhospital. Während des Zweiten Weltkriegs fand das Gesundheitsamt Unterschlupf im Physiksaal einer Mittelschule – all dies noch vor der offiziellen Kommunalisierung der Gesundheitsämter 1948. Im Jahr 1968 bezog das Gesundheitsamt seinen heutigen Sitz an der Gladbecker Straße. Bereits 1960 eröffnete die Caritas die erste psychosoziale Beratungsstelle, erste Selbsthilfegruppen gründeten sich, und auch die Stadt bot über das Gesundheitsamt erste Sprechstunden für Menschen mit psychischen Erkrankungen und Suchterkrankungen an – lange bevor gesetzliche Grundlagen existierten. Dr. Astrid Danneberg, Leiterin des Sozialpsychiatrischen Dienstes betonte: „Bottrop hat nicht gewartet, bis Gesetze kamen – Bottrop hat gehandelt.“
Vom Einzelangebot zum Netzwerk
Ein weiterer Meilenstein folgte 1981 mit der Gründung des Sozialpsychiatrischen Dienstes. Zwei Jahre später, 1983, eröffnete die psychiatrische Abteilung am St. Antonius-Krankenhaus als zentrale Anlaufstelle für Menschen in seelischen Krisen. 1986 kam eine Tagesklinik als Brücke zwischen Klinik und Alltag hinzu. Parallel entstanden neue Wohnformen, Werkstätten und Kontaktcafés, die Selbsthilfe wuchs – und damit auch ein neues Verständnis von Teilhabe. Oft waren es kleine Schritte mit großer Wirkung: In den frühen Arbeitsmaßnahmen für psychisch erkrankte Menschen begannen sieben Betroffene damit, Pokale zusammenzuschrauben – täglich wurden diese abends wieder auseinandergenommen, damit es am nächsten Tag neue Arbeit gab. Dr. Astrid Danneberg: „Was auf den ersten Blick bescheiden wirken mag, war in Wahrheit ein Aufbruch.” Heute bieten vielfältige Werkstätten und Qualifizierungsprojekte Menschen neue Perspektiven.

Zusammenarbeit statt Isolation 1990 wurde mit der Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft eine verbindliche Plattform für Kooperation geschaffen. Klinik, Träger, Selbsthilfe und Verwaltung arbeiten seitdem gemeinsam. Bottrop setzte damit früh um, was die Enquête forderte: Psychiatrie als Gemeinschaftsaufgabe. Dieses Netzwerk hat sich stetig weiterentwickelt. Einrichtungen wie das Dorothea-Buck-Haus, die Kontaktstelle am Borsigweg, das St. Antonius-Krankenhaus, Werkstätten sowie Wohnprojekte und Beratungsstellen sind heute Teil dieses Netzwerks. Neue Träger, viele unter dem Dach des Paritätischen, ergänzen das Angebot. Und auch Betroffene selbst gestalten die Entwicklung mit – in Selbsthilfegruppen oder in Gremien.
Gemeindepsychiatrischer Verbund Bottrop
Im Januar 2024 wurde dieser Weg konsequent fortgesetzt: Mit der Gründung des Gemeindepsychiatrischen Verbundes Bottrop haben 17 Partner ihre Zusammenarbeit verbindlich gemacht – von Kliniken über Träger bis zur Selbsthilfe. „In Bottrop ist Psychiatrie nicht die Sache Einzelner, sondern eine Gemeinschaftsaufgabe“, betonte Dr. Astrid Danneberg. Aus einer oft isolierten Versorgung hat sich ein System entwickelt, das stärker auf Kooperation und Einbindung setzt.
Gesundheitsdezernent Jochen Brunnhofer appellierte in seiner Ansprache daran anzuknüpfen, denn auch heute noch stehe man vor großen Herausforderungen: „Fachkräftemangel, steigender Versorgungsbedarf, zunehmende Komplexität der Fälle. Gerade deshalb brauchen wir das, was die Enquête schon vor 50 Jahren forderte: Zusammenarbeit, Vernetzung und den Mut, psychische Gesundheit als Gemeinschaftsaufgabe zu verstehen. Lassen Sie uns diesen Tag deshalb nicht nur als Rückblick feiern, sondern auch als Auftrag für die Zukunft.“
Der Festakt wurde musikalisch begleitet von dem Ensemble Querwerk.
Eine Woche im Zeichen der seelischen Gesundheit
Im weiteren Verlauf der Festwoche öffnen zahlreiche Einrichtungen in Bottrop ihre Türen. Besucherinnen und Besucher sind eingeladen, sich vor Ort ein Bild von der Arbeit in psychiatrischen, psychosozialen und therapeutischen Einrichtungen zu machen. Der Austausch mit Fachkräften, Betroffenen und Angehörigen steht im Mittelpunkt. Beteiligt an der Aktionswoche sind unter anderem das BSG Bildungsinstitut für Soziales und Gesundheit GmbH, das Diakonische Werk Gladbeck-Bottrop-Dorsten, das St. Antonius Krankenhaus Bottrop-Kirchhellen, der Caritasverband der Stadt Bottrop, die Valeara Bottrop GmbH, die Evangelische Sozialberatung und der Paritätische.
(c): Text & Bilder: Stadt Bottrop